Tourenbericht: Kanzelturm Dir. Südwand

vom 15.09.2000

Kay und ich waren wegen des schlechten Wetters mal wieder im Bielatal gelandet. Nach kurzem Überlegen einigen wir uns auf den Kanzelturm als heutiges Ziel. Der Kanzelturm ist ein alter Traum von Kay und ich muss ihn auch noch "abhaken". Bisher hatte ich immer zuviel Respekt vor dem Gipfel gehabt, immerhin ein Sechstausender, und ein hoher dazu.

Wir besichtigen erst mal die vorhandenen Aufstiegsmöglichkeiten. Der AW, eine VI, sieht eigentlich gängig aus, wenn da nicht das Ausrufezeichen im Kletterführer wäre. Es gibt zwar auch Wege, wie den AW auf die Große Herkulessäule nur ein paar hundert Meter weiter, wo das magische ! unbegründet ist, aber so genau weiß man das ja nie...

Nach einer kompletten Umrundung und kurzer Regenpause beschließen wir dann, die Südwand in Angriff zu nehmen. Ich entscheide mich für die direkte Variante, ist zwar einen Grad schwerer, hat aber im Gegensatz zum Original eben auch kein Ausrufezeichen. Ziemlich steil zieht ein Riß nach rechts oben zum großen Absatz, wo der Weg dann auf die originale Südwand trifft. Nach kurzer Vorbereitung geht es auch schon los. Bis zum Ring lege ich zwei Rißschlingen, der Zug zum Ring hin erweist sich schon mal als knifflig. Als ich den Ring klinke, atme ich kurz durch. Ich merke schon, dass ich heute nicht so recht fit bin, mag es an den neuen Kletterschuhen liegen, oder auch daran, dass ich "kalt" bin. Die 3 Minuten vom Parkplatz reichen eben nicht für eine Erwärmung. Dank der vielen Schlingen, die sich in den folgenden Riß legen lassen, geht es trotz konstant dicker werdender Arme aber ebenso konstant weiter nach oben. An einer Stelle bringe ich sogar meinen neu gebastelten Kinderkopf unter. Noch ein paar Züge und ich komme auf dem Absatz an. Eine Weile warte ich hier, um die Arme "zu verdünnen", dann geht es weiter. An Super-Henkeln und Super-Sicherungsmöglichkeiten geht es nun weiter hoch zur Schulter in der Südseite. Der Seilzug wird nun doch zu stark, so dass ich Kay an dem hier befindlichen Ring erst mal nachholen werde. Er kommt dann auch ziemlich flott nach und ist bald bei mir oben am Ring.

Angeblich kommt jetzt erst die Schlüsselstelle, aber es sieht eigentlich alles ziemlich machbar aus. Kay geht wieder in Sicherung und ich fange an. An großen, griffigen Platten geht es direkt nach oben. Ich lege noch eine zuverlässige Knotenschlinge und dann bin ich auch schon oben. Zwischendurch fehlt irgendwie mal ein Griff, aber wenn man sauber tritt, ist das auch kein Problem. Als ich oben bin, suche ich nach einer Möglichkeit, Kay nach oben zu sichern. Erst will ich den Gipfelkopf umwickeln, aber bald merke ich, dass dieser erschreckend morsch ist und so nehme ich dann doch lieber die Abseilöse. Kay hat am Ausstieg ein bisschen Mühe, aber nach kurzem Probieren klappt es dann auch und wir sitzen beide oben auf dem Gipfel. Unser Fazit: Spektakulärer Gipfel, aber bis auf den Mittelteil unspektakulärer Weg.

Wir tragen uns ein und dann seilen wir auch schon ab, ist schon ziemlich frisch, obwohl es noch September ist. Danach machen wir oben von der Aussicht noch ein paar Fotos, "bespringen" den Glück-Auf-Turm und machen uns wegen wieder einsetzendem Regen dann endgültig auf den Heimweg. Bleibt nur, auf einen kletterfreundlicheren Sommer im nächsten Jahr zu hoffen!